Die Hochzeit zu Kana. Dies ist kein üblicher Bericht von einer Hochzeit. Die Hauptpersonen sind nicht das Brautpaar: Sie treten nicht auf. Erwähnt wird der Mann, der für das Hochzeitsfest zuständig ist, der Organisator. Der müsste eigentlich wissen, dass es da ein Problem gibt. Aber er weiß nicht woher der Wein jetzt kommt. Er stellt nur fest, dass „der gute Wein bis zuletzt aufgehoben wurde“. Sonst wundert er sich nicht. Er bekommt nicht mit, dass da etwas Besonderes geschehen ist. Auch die ganze Hochzeitsgesellschaft nicht.
Maria, die Mutter von Jesus, tritt auf. „Sie haben keinen Wein mehr“, sagt sie zu Jesus. Warum sagt sie ihm das? Was erwartet sie von ihm? Wir dürfen nicht vergessen: wir stehen hier am Anfang des Auftretens Jesu. Er hat noch nichts Besonderes getan. Und sie bekommt eine ziemlich barsche, abweisende Reaktion von Jesus. Trotzdem sagt sie zu den Dienern: »Tut alles, was er euch befiehlt!«
Das Verhalten von Jesus selbst scheint widersprüchlich: Zuerst weist er die Bitte seiner Mutter zurück, dann aber gibt er selbst den Dienern die Anweisung: »Füllt diese Krüge mit Wasser!« Keine Kleinigkeit: sechs Wasserkrüge aus Stein, von denen jeder etwa hundert Liter fasste. Dass Jesus weiter etwas Besonderes sagt oder tut, wird nicht erwähnt. Ein „Wunder“ wird nicht beschrieben, nur die Feststellung von dem für das Fest zuständigen Mann, dass es der beste Wein ist.
Der Sinn dieser unrealistischen Geschichte wird sofort erkennbar, wenn man Folgendes bedenkt: Sie beginnt mit dem Satz „Am dritten Tag wurde in Kana in Galiläa eine Hochzeit gefeiert.“ Mit dem „dritten Tag“ ist in der Bibel immer ein Tag gemeint, der außergewöhnlich ist, weil Gott an diesem Tag „aktiv“ wird, eingreift, wirksam wird. „Am dritten Tag“ zum Beispiel ist Jesus von Gott aufer
weckt worden! In und durch Jesus zeigt Gott hier, dass er den Menschen Freude wünscht. Schließlich ist Hochzeit in der Bibel ein beliebtes Bild für die endzeitliche Freude. Für die messianische Endzeit wurde Wein in Fülle erwartet. Wein ist Symbol der Lebensfreude. Gott will für uns Menschen eine Zukunft der Freude und der Glückseligkeit in Überfluss. Jesus kommt, um die „Herrlichkeit“ Gottes zu zeigen, den Glanz, die Größe, die überdimensionale Großzügigkeit und Freude Gottes uns gegenüber.
Die Stunde, in der das ganz offenbar wird, in der Gott seine „Herrlichkeit“ zeigt, ist laut Jesus noch nicht gekommen. Das wird erst ganz klar, als Gott Jesus vom Tod auferweckt und sich so als ein Gott des Lebens erweist. Die Heilige Teresa von Avila dürfte einmal gesagt haben: „Gott will, dass der Mensch seine Freude hat“.
Das Hochzeitsfest zu Kana ist im Johannesevangelium nur ein erstes Zeichen, ein Hinweis dafür. Es ist also nicht eine Art Zauberkunststück, durch das Wasser zu Wein wurde, sondern ein erstes Zeichen für das Wirken Gottes in Jesus, das sich im Laufe des weiteren Evangelium immer mehr entwickeln wird. Gott will uns Menschen Leben im Überfluss schenken.
Aber dieses Zeichen von Jesus wird noch nicht verstanden, weder vom Hochzeitspaar, noch von der Hochzeitsgesellschaft, noch von dem Organisator dieses Festes. Am Ende wird nur, fast nebenbei, erwähnt: „Und seine Jünger kamen zum Glauben an ihn.“ Sie beginnen zu verstehen, aber sie werden noch viel Zeit brauchen, wie im weiteren Evangelium deutlich wird.
Ist es dem Evangelisten Johannes mit dieser „merkwürdigen“ Erzählung gelungen, uns von der Bedeutung Jesu für unser Leben zu überzeugen? Wir müssen nur eines tun, nämlich was Maria den Dienern gesagt hat: „Was er euch sagt, das tut!“ — Dann können wir die wahre Lebensfreude kosten, wie guten Wein.